Pro und Contra zum Protest gegen Minister Boris Rhein

Protest 500

Die Rede des neuen hessischen Ministers für Kunst und Wissenschaft, Boris Rhein, wurde von stummem Protest einiger Stipendiatinnen und Stipendiaten begleitet. Etwa 40 Studierende erhoben sich während der Rede und kehrten dem Minister den Rücken zu. Stellvertretend nehmen ein Stipendiat und eine Stipendiatin Stellung zu diesem Protest.

Gründe für den Protest gegen Boris Rhein

Der Protest gegen den Redner Boris Rhein richtete sich gegen seine Rolle als Innenminister bei der skandalösen Verhinderung der Blockupy-Demonstration am 01. Juni letzten Jahres. Damals wollten ca. 15.000 Bürgerinnen und Bürger gegen die Folgen der Krisenpolitik der Troika, bestehend aus EU, IWF und EZB demonstrieren. Kaum eine Viertel Stunde nachdem sich der Zug in Bewegung gesetzt hatte, wurde er auch schon von Polizeikräften gestoppt und der vordere Teil des Demonstrationszuges eingekesselt. Die Polizei beließ es aber nicht bei einer bis in die Abendstunden dauernden Unterbindung der legalen politischen Willensbekundung seitens der Demonstrierenden, sondern ging mit willkürlicher Gewalt gegen die Menge vor. Darunter waren Bürgerinnen unterschiedlichsten Alters (auch Senioren und Kinder) und politischer Couleur, die sich allesamt friedlich verhalten und die Polizei nicht provoziert hatten.

Auch ich bin verletzt worden, als die Polizei über eine Gruppe Demonstrierender plötzlich und ohne Vorwarnung großflächig Pfefferspray versprühte.

Die offensichtliche Verletzung eines der elementarsten Grundrechte, nämlich das der Demonstrations- und Versammlungsfreiheit durch den Staat darf nicht ohne Folgen bleiben.

In diesem Fall aber ist genau das bisher geschehen. Die Aufarbeitung des Vorfalls ist von politischer Seite erfolgreich verhindert worden und Boris Rhein, der als Innenminister für den Vorfall damals verantwortlich zeichnete, lediglich auf einen anderen Posten im Kabinett versetzt worden. Boris Rhein verhinderte eine Aufarbeitung des Vorfalls und wiegt sich nun auf einem neuen Posten in Sicherheit.

Während sich das deutsche politische Establishment (zu Recht) über gewaltsame Polizeieinsätze gegen friedliche Demonstranten im Ausland mokiert, wie etwa in Istanbul oder derzeit in Kiew, scheint den Freiheitsrechten der eigenen Bürger eine auffällig geringe Bedeutung beigemessen zu werden. Diese Scheinheiligkeit galt es mit der Protestaktion zu demaskieren.

Boris Rhein ohne ein Zeichen des Widerstandes sprechen zu lassen, wäre ein Akt der Unterwerfung gewesen. Ich wollte nicht zulassen, dass Boris Rhein als Wolf im Schafspelz des Kultusministers so tun kann, als ob nichts vorgefallen wäre. Mit mir sind deshalb viele andere Stipendiaten aufgestanden und haben dem Minister während seiner Rede die Rücken zugedreht – als Zeichen des stummen Protestes gegen sein eigenes Schweigen, verbunden mit der Überzeugung, dass die Hintermänner des 1.6.13 endlich belangt werden müssen.

Maximilian Rathke, Student der Soziologie

Kritik an der Protestaktion

Protest ist grundsätzlich gut. Demonstrationsfreiheit ein Grundrecht unserer Verfassung. Dass dieses Recht genutzt wird, ist legitimer Ausdruck von gelebter Verfassung. Doch Protest muss immer auch im Kontext kommuniziert und verstanden werden.

Die stille Demonstration gegen Wissenschaftsminister Boris Rhein während der Vergabefeier der Deutschlandstipendien am 23.01.2014 hat mich persönlich irritiert. Einerseits war die Protestaktion natürlich mutig und hat ihr Ziel erreicht, nämlich Aufmerksamkeit erregt. Andererseits ist fraglich- richtete sich der Protest lediglich gegen Boris Rhein in Person? Oder eventuell auch gegen das Deutschlandstipendium in seiner Form an sich? Eine klare Trennung war an diesem Abend nur schwer möglich, einerseits in Zusammenhang mit den weiteren Demonstrationen auf dem Campus. Andererseits im Kontext der Veranstaltung selbst und dem Anlass, zu dem auch der umstrittene Minister anwesend war.

Aber der Abend drehte sich eben gerade nicht um Boris Rhein, sondern vielmehr um die Vergabe der Deutschlandstipendien an den neuen Jahrgang. Und um das Zusammenkommen der Förderer und Stipendiaten sowie aller Engagierten rund um das Deutschlandstipendium. Dass dieser besondere Abend ausgenutzt wurde, um Kritik an einer Person zu üben, die bisher eigentlich nicht im Zusammenhang mit dem Stipendium stand, wirkte auf mich als Fehlplatzierung. Die Protestaktion wurde der Stipendienvergabefeier nicht gerecht. Ich empfand die Aktion auch als eine Art der Undankbarkeit, denn schließlich sind die Protestierenden selbst auch Stipendiaten und profitieren von der monatlichen finanziellen Förderung.

Das soll nicht heißen, dass man als Stipendiat nicht Kritik üben oder Protest darstellen darf. Ganz im Gegenteil - fördert das Deutschlandstipendium ja gerade kritische und engagierte Studenten. Allerdings hätte ich mich mit einem Protest an anderer Stelle mit klarerer Differenzierung mehr solidarisieren können.

Nina Hamm, Studentin der Rechtswissenschaften